4.    Einführung in die Ultrastruktur und den Stoffwechsel der Bakterien

4.1.           Vergleich der strukturellen Organisation der Organismengruppen

4.1.1.        Unterschiede zwischen Pro- und Eucaryonten.

Bakterien vertreten die Procaryonten. Per Definition handelt es sich dabei um Lebensformen, deren zelluläre Organisation ohne einen Zellkern auskommt, d.h., das Erbgut liegt im Cytoplasma vor. Höhere Lebewesen sind gekennzeichnet durch das Vorhandensein eines Zellkerns in ihren Zellen (wobei es hiervon Ausnahmen gibt, so sind z.B. die Erythrocyten kernlos). In diesen Kernen liegt die gesamte Erbinformation in Form von Chromosomen vor. Neben dieser namengebenden Eigenschaft, die Pro- und Eucaryonten unterscheidet, gibt es noch einige grundsätzlich wichtige Merkmale, die in der unten stehenden Tabelle zusammen gefasst sind.

 

Tabelle 6: Wesentliche Unterschiede zwischen Pro- und Eucaryonten.

 

Die strukturellen Unterschiede zwischen Eucaryonten und Procaryonten schlagen sich in der Möglichkeit nieder, parasitische Procaryonten mit selektiv toxischen Antibiotika zu bekämpfen, während sie den Makroorganismus, ihren Wirt, besiedeln. Die selektive Toxizität der Antibiotika wird dadurch gewährleistet, dass in solchen Fällen, in denen es Homologien zwischen (molekularen) Strukturen der Bakterien und den Zellen des Wirtes gibt, die entsprechenden homologen Entwicklungen einen genügend großen Unterschied aufweisen (verg. z.B. die Ribosomen : Ribosomen gibt es zwar bei Pro- und Eucaryonten, ihre Funktion ist im Prinzip identisch, in der Feinstruktur unterscheiden sie sich jedoch zwischen beiden Zelltypen sehr deutlich).

Auf solche Unterschiede, welche die selektive Toxizität der Antibiotika gewährleisten, wird im Zuge der Vorlesung immer wieder hingewiesen. (vergl. auch die Hinweise zur Resistenz gegen Antibiotika im Kapitel 5 Genetik).

 

4.1.2.        Unterschiede zwischen Procaryonten und Viren

Viren stellen eine Sonderform in der Natur dar. Obwohl sie in der Lage sind, z.T. lebensbedrohliche Erkrankungen auszulösen, handelt es sich doch streng genommen um unbelebte Partikel, das sie zu einer eigenständigen Vermehrung wie auch zu einem selbstständigen Stoffwechsel nicht in der Lage sind. Auf die Viren wird in Kapitel 6 näher eingegangen, so dass hier nur die wesentlichen Unterschiede zu den Porcaryonten aufgelistet werden.

 

— Typ des Erbguts (Viren weisen i.d.R. nur einen Typ Nukleinsäure (RNA oder DNA) auf, nur in Ausnahmen beide Typen)

— kein eigener Stoffwechsel

— keine zelluläre Organisation

— nicht selber vermehrungsfähig

à Viren sind keine Lebewesen sondern infektiöse Partikel.

 

4.2.             Struktur und Funktion der bakteriellen Zellwand

Die meisten Bakterien sind gegenüber dem umgebenden Milieu durch eine Zellwand abgeschottet. Funktionen dieser Zellwand sind die Formgebung (Stäbchen, Kokken etc.) und der Schutz gegenüber schädigenden Substanzen. Die bakterielle Zellwand ist in ihrer molekularen Struktur (Grundbaustein: Murein, Peptidoglycan) in der belebten Welt einzigartig. In dieser Zusammensetzung gibt es die Zellwand nur bei den Bakterien. Damit wird die bakterielle Zellwand zum bevorzugten Ziel für antibiotische Substanzen! Das Penicillin, dessen Entdeckung den Beginn des antibiotischen Zeitalters markierte, wirkt auf die Zellwandsynthese der Bakterien ein (Abb. 10), ebenso wie eine mittlerweile große Anzahl Strukturverwandter Antibiotika aus der Gruppe der Penicilline und Cephalosporine. Die Zellwand der Pflanzenzellen (Grundbaustein: Cellulose & Pectin) und Pilzzellen (Grundbaustein: Chitin) unterscheidet sich von der Bakterienzellwand grundsätzlich.

 

Im Gesamtsystem der Bakterien weist die Zellwand Variationen desselben Themas auf. So gibt es neben zellwandlosen Bakterien (z.B. Mykoplasma ssp.) zwei grundsätzliche Typen der Zellwand, welche man auch mit Färbemethoden die in der Routinediagnostik verwendet werden, unterscheiden kann. Es handelt sich hierbei um die Zellwand der Gram positiven und die der Gram negativen Bakterien. Die sogenannte Gram-Färbung erlaubt die Unterscheidung beider Zellwandtypen im Mikroskop und erlaubt damit im Routinelabor auch eine erste Einteilung isolierter Bakterien.

 

4.2.1.        Aufbau der Gram positiven Zellwand

(Beispiele: Staphylococcus aureus, Streptokokken , Milzbranderreger)

 

Grundbaustein ist das Murein, ein Polymer aus N-Acetylmuraminsäure (NAc) und N-Acetylglucosamin (NAcGlc). An den NAc-Resten sind i.d.R. fünf Aminosäuren gebunden (daher die chemische Bezeichnung Peptidoglycan):

(L-Ala▬D-Glu▬L-Lys▬D-Ala▬D-Ala)

oder

(L-Ala▬D-Glu▬D-amino-Pimelinsäure▬D-Ala▬D-Ala)

 

Über diese Aminosäurereste erfolgt mit Hilfe von Pentapeptiden (5 Glycinreste) eine Quervernetzung der Mureinstränge unter Abspaltung des Endständigen D-Ala (Abb. 10). Diese quervernetzte Struktur ist von außerordentlicher Festigkeit und verleiht der Bakterienzelle ihre äußere Form. In der Gram positiven Zellwand findet man einen „mächtigen“ Polylayer aus Mureinsträngen als Hauptbestandteil der Zellwand (siehe auch Abb. 12). Gram positive Bakterien erscheinen im Lichtmikroskop blauviolett. Es gibt jedoch einige Bakterien wie z.B. die Mitglieder des Genus Mycobacterium, die zwar eine im Aufbau Gram positive Zellwand aufweisen, sich jedoch auf Grund feiner struktureller Unterschiede nicht mit der Gramfärbung sondern nur mit speziellen Färbemethoden anfärben lassen.

 

 

Abb. 10: Grundbausteine und vereinfachte Schritte der Synthese der bakteriellen Zellwand bei Gram positiven Erregern. Die untere Abbildung zeigt die Quervernetzung des Peptidoglycans unter Abspaltung des endständigen D-Ala Restes zur fertigen Zellwand. Angriffspunkte für Antibiotika sind markiert. Vancomycin hemmt die glykosidische Bindung der Einzelzucker zum Polymer während Penicillin den Transpeptidierungsschritt während der Quervernetzung hemmt. Es wird deutlich, dass Antibiotika ihre Wirkung nur auf Teilungsaktive Bakterien ausüben können. Eine bereits bestehende Quervernetzung wird durch Antibiotika nicht mehr gestört. Der Angriff bspw. des Penicillins erfolgt auf spezifische Enzyme, welche die Transpeptidierung katalysieren.

 

4.2.2.        Aufbau der Gram negativen Zellwand

(Beispiele: Neisseria meningitidis , E. coli, Salmonellen u.a.)

 

Grundbaustein ist auch hier Murein, allerdings erfolgt die Quervernetzung i.d.R. ohne Pentapetide direkt über die seitenständigen Aminosäuren des NAc (Abb. 11). Die Zellwand besteht nur aus einem Mono- oder Bilayer. Darüber befindet sich als Abschluss nach außen eine äußere Membran (Charakteristikum der Gram negativen Zellwand). Nach Gramfärbung erscheinen Gram negative Bakterien im Lichtmikroskop rötlich. Auch in diesem Fall gibt es jedoch Abweichungen im Feinbau der Gram negativen Zellwand. So lassen sich z.B. die strukturell Gram negativen Spirochäten (u.a. die Erreger der Syphilis, Treponema pallidum) i.d.R. nicht nach Gram anfärben.

 

Abb. 11: Aufbau der bakteriellen Zellwand bei Gram negativen Erregern. Beachte die im Vergleich zu Gram positiven Bakterien (Abb. 10) unterschiedliche Art der Quervernetzung des Peptidoglycans. Angriffspunkte für Antibiotika sind markiert (anders als Vancomycin oder Penicillin ist das Lysozym eine sehr weit verbreitete antibiotische Substanz, welche man z.B. in Tränenflüssigkeit nachweisen kann).

 

Die Synthese des Mureins kann in verschiedenen Stadien durch Antibiotika gestört werden (vergl. Abb. 10/Abb. 11). Die bereits bestehenden Zellwandstrukturen werden von Antibiotika in der Regel nicht mehr zerstört. Die Gruppe der Penicilline und Cephalosporine gehört z.B. zu den Substanzklassen, die in die Zellwandsynthese der Bakterien eingreifen.

Gram positive und –negative Erreger unterscheiden sich nicht nur in der Art der Quervernetzung des Mureins sondern auch in einigen grundsätzlichen Punkten im groben Aufbau der Zellwand (Mächtigkeit der Mureinschicht; äußere Membran bei Gram negativen Bakterien; siehe Abb. 12). In die Zellwand eingelagert oder aufgelagert sind unterschiedliche Proteine, Polysacharide etc., welche zum Teil wichtige Rollen in der Pathogenese von Erkrankungen spielen.

Abb. 12: Beispiele für den Aufbau der Gram negativen Zellwand (links am Beispiel der Meningokokken) bzw. der Gram positiven Zellwand (rechts am Beispiel der Streptokokken). Die in der Membran liegenden Proteine bzw. die der Membran oder der Zellwand aufgelagerten Polysaccharide und Lipopolysaccharide (Gram negative) bzw. Lipoteichonsäure (Gram positive) stellen Pathogenitätsfaktoren der Bakterien dar.