6.    Viren

 

6.1.             Allgemeine Merkmale und Einteilung der Viren

Viren sind, wie bereits oben geschildert, keine Lebewesen. Es handelt sich vielmehr um infektiöse Partikel deren Nukleinsäure das eigentlich infektiöses „Prinzip“ darstellt. Zur Vermehrung sind Viren obligat auf Wirtszellen angewiesen, für die sie im Regelfall auch eine ausgesprochene Spezifität haben. Im Laufe der Infektion werden Viren von den Wirtszellen aufgenommen, das virale Genom wird freigesetzt und überwiegend zelluläre Mechanismen nutzen das virale Erbgut zur Vermehrung der Viren (siehe unten).

Die Viren werden unterteilt in die Gruppe der umhüllten Viren (ein zentrales Kapsid welches die Nukleinsäure enthält wird von einer Membran umhüllt) und die nackten Viren (Abb. 23), denen diese Membran fehlt. In beiden Gruppen wird weiter nach der Struktur des Erbgutes unterschieden. Im Regelfall weisen Viren nur einen Typ Nukleinsäure auf, entweder DNA oder RNA, nur in sehr wenigen Ausnahmen findet man beide Typen von Nukleinsäure. Je nach dem, welche Nukleinsäure vorhanden ist unterscheidet man RNA Viren und DNA Viren, wobei noch einmal in Viren mit einzelsträngiger bzw. doppelsträngiger DNA bzw. (+) oder (-) gerichteter RNA unterschieden wird [die Bezeichnung (+) bezieht sich in diesen Fällen darauf, dass eine RNA mit der Polarität einer mRNA vorliegt, die Bezeichnung (-) darauf, dass die umgekehrte Polarität vorliegt].

Abb. 23: Grundstruktur von umhüllten bzw. nackten Viren.

 

6.2.             Vorgänge bei der Vermehrung von Viren

Adsorption. Hierbei handelt es sich um eine Rezeptor-vermittelte Anbindung an die Wirtszelle. Spezifische Rezeptoren der Wirtszelle werden von den Viren benutzt um über passende Kapsidproteine die Adhäsion zu bewerkstelligen. Die Blockierung entweder der zellulären Rezeptoren oder der Kapsidproteine stellt eine wirksame Strategie zur Prävention der Virusinfektion dar. Versuche haben gezeigt, dass sogar bereits adsorbierte Viren noch über Antikörper gegen die Rezeptoren inaktiviert werden können.

Penetration: Der Eintritt in die Zellen verläuft bei umhüllten bzw. nackten Viren unterschiedlich. Bei umhüllten Viren verschmilzt die Hülle mit der Membran der Wirtszelle und das Nukleinsäure enthaltende Kapsid gelangt in das Cytoplasma der Zelle, nackte Viren interagieren zwar auch mit der Membran der Wirtszelle, jedoch findet hier offenbar nur eine Konformationsänderung statt. In beiden Fällen, nackte und umhüllte Viren, werden die Viren über Endocytose in die Wirtszelle eingeschleust.

Uncoating (betrifft nackte und bekapselte Viren): Beim Vorgang des uncoating (der sich auch im deutschen Sprachgebrauch etabliert hat) handelt es sich um die Freisetzung der viralen Nukleinsäure aus dem Kapsid. Nachfolgend findet über je nach Virustyp unterschiedliche Mechanismen die Umwandlung der Virusnukleinsäure in eine für die Synthese der viralen Proteine notwendige mRNA statt.

Translation: Unterschiede im Ablauf je nach Nukleinsäuretyp und –beschaffenheit des infizierenden Virus. Unter Umständen werden in einem ersten Schritt Polymerasen von der Virus-eigenen oder Virus-basierten mRNA synthetisiert. Bei Retroviren z.B. kann auch Virus-eigene, Kapsid-lokalisierte Reverse Transkriptase zum Einsatz kommen, die aus der Virus-RNA zunächst eine Doppelstrang DNA synthetisieren, welche dann wiederum als Matrize für die Genese der eigentlichen mRNA dient. In einigen Fällen (z.B. Retroviren) erfolgt eine Integration der Virusnukleinsäure (bzw. eines entsprechenden Derivats der originalen Nukleinsäure) in das Genom der Wirtszelle.

Replikation: Die Replikation dient der Synthese der neuen viralen Nukleinsäure.

Reifung: Virale Proteine und Nukleinsäuren werden zu neuen Kapsiden zusammengesetzt. Dieser Vorgang ist kein spontaner, ungerichteter Prozess. Die Details der Reifung sind allerdings noch nicht verstanden.

intrazelluläre Ansammlung, findet bei einigen Viren statt, bei anderen Viren findet die sofortige Freisetzung statt.

Freisetzung: Findet entweder aktiv durch die Wirtszelle statt oder die Zelle lysiert in Folge einer massiven Ansammlung von Viruspartikeln im Cytoplasma. Umhüllte Viren werden in Form des „budding“ freigesetzt. Dabei tritt das Kapsid an die Innenseite der Membran der Wirtszelle. Diese Membran wird während der Ausschleusung als Hülle um das Kapsid gelegt. Die Hülle der Viren stellt damit eine durch Virusproteine veränderte Wirtsmembran dar. Eine Besonderheit stellen z.B. die Herpesviren dar, deren „budding“ im Austritt aus dem Kern besteht. Dabei wird Kernmembran als Hülle um das Kapsid gelegt.

 

6.3.             Infektionsabwehr bei viralen Infektionen

In der viralen Infektabwehr sind beide „Arme“ des Immunsystems humorales System (Antikörper) und zelluläres System (Überblick siehe Kap. 7.2 Immunsystem…)― von Bedeutung, wenn auch die Relevanz beider Arme unterschiedlich ist. Die Funktion von Antikörpern liegt vor allem in der Neutralisation zirkulierender Viren; die Adsorption der Viren an ihre spezifischen zellulären Rezeptoren soll durch Blockade der Virus-seitigen Kapsidmoleküle verhindert werden. In der Kontrolle einer bereits laufenden Virusinfektion kommt jedoch dem zellulären System erheblich mehr Bedeutung zu. Funktion vor allem der cytotoxischen Zellen ist es, bereits Virus-infizierte Wirtszellen zu eliminieren und so die Infektion zu kontrollieren.

6.4.             Virus-bedingte Erkrankungen

Virus induzierte Erkrankungen können sehr vielfältig sein. Von besonderer Bedeutung ist bei diesen Erkrankungen jedoch, dass i.d.R. nicht das Virus selbst Schäden im Rahmen der Pathogenese verursacht. Vielmehr führt die Immunantwort auf das Virus zu pathologischen Effekten. Diese können einerseits durch die Eliminierung der Zielzellen hervorgerufen werden (die Leberschäden bei einer chronischen Hepatitis B gehen offenbar auch auf die Immunantwort zurück). Andererseits ist beschrieben, dass es durch zirkulierende Immunkomplexe (Antikörper, gebunden an ihr Zielantigen) zumindest im Tierversuch zu einer Nephritis durch „verstopfen“ der Nierenkanälchen kommen kann. Unklar ist noch, ob die Körpereigene Virusabwehr unter Umständen auch an der Genese von Autoimmunerkrankungen beteiligt ist.

 

Tabelle 8: Übersicht über einige wichtige Viren und der durch sie hervorgerufenen Erkrankungen. Die letzte Spalte gibt Auskunft darüber, ob bereits gegen das die angegebene Krankheit verursachende Virus geimpft wird.

Erreger (Nukleinsäure)

Erkrankung

Impfung

Filoviren (RNA)

z.B. Ebola

nein

Picornaviren (RNA)

Hepatitis A

ja

Hepadnaviren (DNA)

Hepatitis B

ja

Flaviviren (RNA)

Hepatitis C

nein

Picornaviren (RNA)

z.B. Polio

ja (weltweite Ausrottung bis 2010?)

Retroviren (RNA)

z.B. HIV

nein

Variola-Virus (DNA)

Pocken

ja (ausgerottet, aber ....)

 

6.5.             Diagnostik viraler Erkrankungen

Anders als in der bakteriologischen Diagnostik, wo der kulturelle, direkte Erregernachweis eine bedeutende Rolle spielt, ist man in der Virusdiagnostik überwiegend auf indirekte Methoden angewiesen. Zwar kann in einigen Fällen viraler Infektionen eine Anzucht durchgeführt werden, deren Wert ist aber sehr viel geringer als in der Bakteriologie. Der Vorteil der Virusanzucht liegt in der Möglichkeit den Virus spezifischen cytopathischen Effekt in einer Zellkultur als Differenzierungsmöglichkeit heranzuziehen.

Als indirekte Möglichkeiten mit breitem Einsatzspektrum in der virologischen Diagnostik verfügt man über die Serologie (Nachweis spezifischer Antikörper im Serum von Patienten sowie über die molekularbiologischen Methoden (hauptsächlich PCR, Sequenzierung). Diese Methoden dienen dem Nachweis von Virus RNA oder DNA im Untersuchungsmaterial, der Quantifizierung der Viruslast (z.B. HIV) und zunehmend der Resistenzbestimmung (z.B. HIV).