Viren sind,
wie bereits oben geschildert, keine Lebewesen. Es handelt sich vielmehr um
infektiöse Partikel deren Nukleinsäure das eigentlich infektiöses „Prinzip“
darstellt. Zur Vermehrung sind Viren obligat auf Wirtszellen angewiesen, für
die sie im Regelfall auch eine ausgesprochene Spezifität
haben. Im Laufe der Infektion werden Viren von den Wirtszellen aufgenommen, das
virale Genom wird freigesetzt und überwiegend
zelluläre Mechanismen nutzen das virale Erbgut zur
Vermehrung der Viren (siehe unten).
Die Viren
werden unterteilt in die Gruppe der umhüllten Viren (ein zentrales Kapsid welches die Nukleinsäure enthält wird von einer
Membran umhüllt) und die nackten Viren (Abb. 23), denen diese Membran fehlt. In
beiden Gruppen wird weiter nach der Struktur des Erbgutes unterschieden. Im
Regelfall weisen Viren nur einen Typ Nukleinsäure auf, entweder DNA oder RNA,
nur in sehr wenigen Ausnahmen findet man beide Typen von Nukleinsäure. Je nach
dem, welche Nukleinsäure vorhanden ist unterscheidet man RNA Viren und DNA
Viren, wobei noch einmal in Viren mit einzelsträngiger
bzw. doppelsträngiger DNA bzw. (+) oder (-)
gerichteter RNA unterschieden wird [die Bezeichnung (+) bezieht sich in diesen
Fällen darauf, dass eine RNA mit der Polarität einer mRNA
vorliegt, die Bezeichnung (-) darauf, dass die umgekehrte Polarität vorliegt].
Abb. 23: Grundstruktur von
umhüllten bzw. nackten Viren.
Adsorption. Hierbei handelt es sich um eine Rezeptor-vermittelte
Anbindung an die Wirtszelle. Spezifische Rezeptoren der Wirtszelle werden von
den Viren benutzt um über passende Kapsidproteine die
Adhäsion zu bewerkstelligen. Die Blockierung entweder der zellulären Rezeptoren
oder der Kapsidproteine stellt eine wirksame
Strategie zur Prävention der Virusinfektion dar. Versuche haben gezeigt, dass
sogar bereits adsorbierte Viren noch über Antikörper gegen die Rezeptoren
inaktiviert werden können.
Penetration: Der Eintritt in die Zellen verläuft bei umhüllten
bzw. nackten Viren unterschiedlich. Bei umhüllten Viren verschmilzt die Hülle
mit der Membran der Wirtszelle und das Nukleinsäure enthaltende Kapsid gelangt in das Cytoplasma
der Zelle, nackte Viren interagieren zwar auch mit der Membran der Wirtszelle,
jedoch findet hier offenbar nur eine Konformationsänderung
statt. In beiden Fällen, nackte und umhüllte Viren, werden die Viren über Endocytose in die Wirtszelle eingeschleust.
Uncoating (betrifft
nackte und bekapselte Viren): Beim Vorgang des uncoating (der sich auch im
deutschen Sprachgebrauch etabliert hat) handelt es sich um die Freisetzung der viralen Nukleinsäure aus dem Kapsid.
Nachfolgend findet über je nach Virustyp unterschiedliche Mechanismen die
Umwandlung der Virusnukleinsäure in eine für die Synthese der viralen Proteine notwendige mRNA
statt.
Translation:
Unterschiede im Ablauf je nach Nukleinsäuretyp und –beschaffenheit
des infizierenden Virus. Unter Umständen werden in einem ersten Schritt
Polymerasen von der Virus-eigenen oder Virus-basierten mRNA
synthetisiert. Bei Retroviren z.B. kann auch Virus-eigene,
Kapsid-lokalisierte Reverse Transkriptase
zum Einsatz kommen, die aus der Virus-RNA zunächst
eine Doppelstrang DNA synthetisieren, welche dann wiederum als Matrize für die
Genese der eigentlichen mRNA dient. In einigen Fällen
(z.B. Retroviren) erfolgt eine Integration der Virusnukleinsäure (bzw. eines
entsprechenden Derivats der originalen Nukleinsäure) in das Genom der
Wirtszelle.
Replikation: Die Replikation dient der Synthese der neuen viralen Nukleinsäure.
Reifung: Virale Proteine und
Nukleinsäuren werden zu neuen Kapsiden
zusammengesetzt. Dieser Vorgang ist kein spontaner, ungerichteter Prozess. Die
Details der Reifung sind allerdings noch nicht verstanden.
intrazelluläre
Ansammlung, findet bei einigen Viren
statt, bei anderen Viren findet die sofortige Freisetzung statt.
Freisetzung: Findet entweder aktiv durch die Wirtszelle statt
oder die Zelle lysiert in Folge einer massiven
Ansammlung von Viruspartikeln im Cytoplasma. Umhüllte
Viren werden in Form des „budding“ freigesetzt. Dabei tritt das Kapsid
an die Innenseite der Membran der Wirtszelle. Diese Membran wird während der
Ausschleusung als Hülle um das Kapsid gelegt. Die
Hülle der Viren stellt damit eine durch Virusproteine veränderte Wirtsmembran
dar. Eine Besonderheit stellen z.B. die Herpesviren dar, deren „budding“ im
Austritt aus dem Kern besteht. Dabei wird Kernmembran als Hülle um das Kapsid gelegt.
In der viralen Infektabwehr sind beide „Arme“ des Immunsystems ―humorales
System (Antikörper) und zelluläres System (Überblick siehe Kap. 7.2
Immunsystem…)― von Bedeutung, wenn auch die Relevanz beider Arme
unterschiedlich ist. Die Funktion von Antikörpern liegt vor allem in der
Neutralisation zirkulierender Viren; die Adsorption der Viren an ihre
spezifischen zellulären Rezeptoren soll durch Blockade der Virus-seitigen
Kapsidmoleküle verhindert werden. In der Kontrolle
einer bereits laufenden Virusinfektion kommt jedoch dem zellulären System
erheblich mehr Bedeutung zu. Funktion vor allem der cytotoxischen
Zellen ist es, bereits Virus-infizierte Wirtszellen
zu eliminieren und so die Infektion zu kontrollieren.
Virus
induzierte Erkrankungen können sehr vielfältig sein. Von besonderer Bedeutung
ist bei diesen Erkrankungen jedoch, dass i.d.R. nicht
das Virus selbst Schäden im Rahmen der Pathogenese verursacht. Vielmehr führt
die Immunantwort auf das Virus zu pathologischen Effekten. Diese können
einerseits durch die Eliminierung der Zielzellen hervorgerufen werden (die
Leberschäden bei einer chronischen Hepatitis B gehen offenbar auch auf die
Immunantwort zurück). Andererseits ist beschrieben, dass es durch zirkulierende
Immunkomplexe (Antikörper, gebunden an ihr Zielantigen) zumindest im
Tierversuch zu einer Nephritis durch „verstopfen“ der Nierenkanälchen kommen
kann. Unklar ist noch, ob die Körpereigene Virusabwehr unter Umständen auch an
der Genese von Autoimmunerkrankungen beteiligt ist.
Tabelle 8: Übersicht über einige wichtige
Viren und der durch sie hervorgerufenen Erkrankungen. Die letzte Spalte gibt
Auskunft darüber, ob bereits gegen das die angegebene Krankheit verursachende
Virus geimpft wird.
Erreger (Nukleinsäure) |
Erkrankung |
Impfung |
Filoviren (RNA) |
z.B. Ebola |
nein |
Picornaviren (RNA) |
Hepatitis A |
ja |
Hepadnaviren (DNA) |
Hepatitis B |
ja |
Flaviviren (RNA) |
Hepatitis C |
nein |
Picornaviren (RNA) |
z.B. Polio |
ja
(weltweite Ausrottung bis 2010?) |
Retroviren (RNA) |
z.B. HIV |
nein |
Variola-Virus (DNA) |
Pocken |
ja
(ausgerottet, aber ....) |
Anders als
in der bakteriologischen Diagnostik, wo der kulturelle, direkte Erregernachweis
eine bedeutende Rolle spielt, ist man in der Virusdiagnostik überwiegend auf
indirekte Methoden angewiesen. Zwar kann in einigen Fällen viraler
Infektionen eine Anzucht durchgeführt werden, deren Wert ist aber sehr viel
geringer als in der Bakteriologie. Der Vorteil der Virusanzucht
liegt in der Möglichkeit den Virus spezifischen cytopathischen
Effekt in einer Zellkultur als Differenzierungsmöglichkeit heranzuziehen.
Als
indirekte Möglichkeiten mit breitem Einsatzspektrum in der virologischen
Diagnostik verfügt man über die Serologie (Nachweis spezifischer Antikörper im
Serum von Patienten sowie über die molekularbiologischen Methoden
(hauptsächlich PCR, Sequenzierung). Diese Methoden dienen dem Nachweis von
Virus RNA oder DNA im Untersuchungsmaterial, der Quantifizierung der Viruslast
(z.B. HIV) und zunehmend der Resistenzbestimmung (z.B. HIV).