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über die Entstehung der Erde und die sich entwickelnden Organismenkategorien:
Urknall, Erde, Archaea,
Procaryonten, Eucaryonten, Metazoa
Bakterielle Lebensformen waren die ersten Organismen auf der Erde. Vor etwa
3,8 Milliarden Jahren entwickelten sich erste Urbakterien, die denen der
heutigen Archaebakterien
möglicherweise recht ähnlich waren. Sie haben sich im Laufe der Evolution immer
wieder an neue Lebensumstände wie auch an neu auftretende Lebensformen
adaptieren können! Die heute lebenden Bakterien stellen das momentane Ende
dieser evolutionären Entwicklung dar. Die Verschiedenheit der einzelnen Bakterien-Taxa (Gattungen, Familien) wird in der heute
gültigen Bakteriensystematik reflektiert.
Abb. 1: Entwicklung von Lebensformen auf der Erde.
Erst
etwa 1 Milliarde Jahre nach dem geschätzten Auftreten erster procaryotischer Lebensformen entwickelten sich Formen
einfacher Eucaryonten. Im weiteren Verlauf der
Evolution gingen Pro- und Eucaryonten zumindest
zweimal sehr enge à Symbiosen ein:
(I) Aus
primitiven Blaualgen (Cyanobakterien) entstanden nach
Integration in phylogenetisch alte Eucaryontenzelle
die heutigen Plastiden (die rezenten, Photosynthese treibenden Chloroplasten) und
(II) aus
primitiven Eubakterien entstanden nach Integration
die Mitochondrien, welche in den rezenten Eucaryonten
den Energiestoffwechsel betreiben.
Die
mittlerweile durch eine Reihe von Indizien gestützte Annahme der Evolution von Eucaryonten durch Eingehen der Symbiosen wird durch die sogenannte Endosymbiontenhypothese
erklärt.
Mikroorganismen
und Menschen
Mikroorganismen
bzw. durch sie ausgelöste Krankheiten haben von je her das Leben des Menschen
in vielfältiger Weise beeinflusst. Krankheiten wie die Pest im Mittelalter und
die „Weiße Pest“ (Tuberkulose) im 19. Jahrhundert haben zu deutlichen
Einschnitten in der Bevölkerungsdichte und teilweise zu Veränderungen in der
Gesellschaftsstruktur des Menschen geführt. Tod und Siechtum waren daher nicht
selten Motive der zeitgenössischen Kunst. Noch heute zeigen die Erfahrungen mit
SARS oder Milzbrand, welche Wirkung Krankheitserreger sogar auf den modernen,
aufgeklärten Menschen haben.
2.2.1 historische Aspekte:
Ø Darstellung der Infektionskrankheiten in der zeitgenössischen Kunst am Beispiel der
Pest in Form eines apokalyptischen Reiters. Der damaligen Bevölkerung war die
Natur der Pest als durch den Rattenfloh übertragene Erkrankung nicht bewusst.
Dennoch war die Bedeutung der Pest an sich für die mittelalterliche Bevölkerung
außerordentlich. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Darstellung
Schwindsüchtiger (an Tuberkulose erkrankte Patienten) durch zeitgenössische
Künstler wie etwa Krogh oder Munch ein beliebtes Motiv.
Ø Mikroorganismen und die gesellschaftliche Entwicklung: Historiker gehen davon aus, dass die
Pest
im Mittelalter durch die hohe Letalität und den damit verbundenen
Rückgang an Arbeitskräften gewaltige Umstrukturierungen in der
Gesellschaftsform getriggert hat und damit langfristig zu Entwicklung moderner
Gesellschaftsstrukturen beigetragen hat. Die mittelalterlichen Seuchenzüge
haben ca. ein Viertel der gesamten Weltbevölkerung das Leben gekostet.
Ø Mikroorganismen
und Kriege (Mittelalter): In der
Regel aus Unkenntnis über die Natur von Infektionskrankheiten gerieten
Schlachten bzw. Militärschläge auf Grund von Infektionskrankheiten zu
Niederlagen. Als Beispiel seien der Russlandfeldzug Napoleons und das
Fleckfieber genannt. Napoleon verlor den größten Teil seines Heeres durch
Fleckfieber und später durch Einwirkung von Kälte aber nur einen geringen Teil
der Soldaten durch direkte Kampfeinwirkung! Von 600.000 Soldaten, mit denen
Napoleon in den Russlandfeldzug ging kamen nur ca. 3000, davon die meisten
ernsthaft krank, zurück. Selbst noch zu Beginn des 20 Jahrhunderts bis in die
Mitte des 20. Jahrhunderts konnten Infektionskrankheiten den Ausgang
militärischer Operationen beeinflussen, da es an geeigneten
Behandlungsstrategien mangelte (so starben z.B. in den Weltkriegen mehr
Soldaten an Infektionen, die auf Grund ihrer Verletzungen entstanden als an
Schussverletzungen selbst).
2.2.2. heutige Bedeutung der Mikroorganismen für den Menschen
Ø
Kontagiosität (Ansteckungsgefahr) und Prävention. Die medizinische Mikrobiologie und die Hygiene haben
die Lebensräume von Infektionserregern, die Übertragungswege, die Interaktionen
mit dem Immunsystem des Menschen und die Lebensbedingungen der Mikroben
weitgehend aufgeklärt. Die größten Erfolge in der Medizin lagen in der
Entwicklung zielgerichteter Präparate zur Bekämpfung der Erreger (Antibiotika)
sowie in der Entwicklung von Impfstoffen zur Vermeidung von Infektionen.
Dennoch stellen Infektionskrankheiten noch immer die häufigste Todesursache dar
(siehe unten).
Ø
Pathogenitäts- und
Virulenzmechanismen - wie entstehen
Krankheiten. Einige Erkrankungen sind mittlerweile bis ins kleinste Detail
verstanden. Beim Verständnis der Wirt-Parasit-Interaktionen
leistet die Sequenzierung der chromosomalen DNA von
Bakterien entscheidende Hilfe. Von einem großen Teil der humanmedizinisch wichtigen
Bakterien wurde mittlerweile das Gesamtgenom entschlüsselt, ebenso das
Gesamtgenom des Menschen.
Ø
Funktionen des Immunsystems à mit Hilfe dieses Wissens gezielte Entwicklung von
Impfstoffen (Vakzinen)
Ø
emerging infections: von
Zeit zu Zeit beobachten Mediziner, dass bestimmte Erreger bzw.
Infektionskrankheiten plötzlich zunehmen (emerging!). Die Situation kann
unterschiedlich ausgehen, manche dieser emerging infections werden nur kurze Zeit beobachtet, andere
entwickeln sich zu ernsthaften Problemen für die Medizin (auch die
HIV-Infektion war einmal eine „emerging infection“). Ein aktuelles Beispiel für eine emerging infection ist
das West Nile Virus, welches zurzeit in den USA eine
Ost-West Ausbreitung zeigt und ursprünglich aus Afrika kommt. (aktuelle Trends
unter http://www.cdc.gov
bzw. http://www.cdc.gov/mmwr). Auch die in den letzten 2 Jahren
aufgetretene Erkrankung SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome)
sowie die neu aufgetretene Variante der Vogelgrippe in den ersten Monaten des
Jahres 2004 fallen unter die Kategorie „emerging infections“. Durch die Medien werden Ausbrüche solcher
Infektionen/Erkrankungen gerne in unangemessener Weise hochstilisiert.
Ø
nosokomiale Infektionen als moderne Herausforderung der Hygiene: Die hochtechnisierte Medizin ermöglicht enorme diagnostische
und therapeutische Möglichkeiten, vermag Organe zu transplantieren und
Stammzellen zu manipulieren, dennoch stellen Infektionskrankheiten ein hohes Risiko
für den hospitalisierten Patienten dar.
Ø
Antibiotika-Resistenzen als Herausforderung der Mikrobiologie. Der wohl
wichtigste Erreger nosokomialer Infektionen, Staphylococcus aureus, imponiert durch eine
weitreichende Ausstattung an Antibiotika-Resistenzen.
Der überwiegende Teil klinischer Stämme von S.
aureus ist mittlerweile gegen Penicilline resistent (bei Einführung des
Penicillins gab es keine resistenten Stämme!). Ein ebenfalls zunehmender Teil
der Stämme hat darüber hinaus Resistenzen auch gegen alle zum Penicillin
strukturverwandten Antibiotika entwickelt (sog. MRSA für Methicillin-resistente
S. aureus). Während die MRSA Stämme
noch empfindlich gegen das Vancomycin sind wurden
bereits vor einigen Jahren Isolate mit einer verminderten
Empfindlichkeit gegenüber Vancomycin detektiert. Neue
Antibiotika-Klassen sind zurzeit nicht in der
Entwicklung, vielmehr haben einige große Pharmafirmen die Antibiotika-Entwicklung
mittlerweile zurück gefahren.
Ø
Biologische Kriegsführung und Bioterrorismus: Der Bioterrorismus und die biologische Kriegsführung
sind keine Erfindungen des beginnenden 21. Jahrhunderts. Bereits in der
Schlacht von Kaffa (1346) war die biologische
Kriegsführung Teil der Strategie. Damals wurden Leichen von an Pest Verstorbenen
über die Mauern der Stadt Kaffa geschleudert.
Beispiele für den Einsatz von Krankheitserregern zu militärischen oder
terroristischen Zwecken finden sich bis in das 21. Jahrhundert.
(Hinweis: Die Informationen zum Thema Bioterrorismus
sowie die hierzu gezeigten Dias entstammen zum Teil dem Vortrag
„Bioterrorismus“ von Prof. Dr. H.K. Geiss
im Infektiologischen Arbeitskreis am 16.10.2001)!
Nachdem über viele Jahre kaum etwas zum Thema
Biologische Waffen oder Bioterrorismus publiziert wurde, hat das Thema im
Nachgang zu den Ereignissen, die mit dem 11.09.2001 begannen, enorm an
Bedeutung gewonnen (vergl. z.B. websites
wie etwa http://www.medical-tribune.de/GMS/bericht/biokiller).
In wissenschaftlichen Fachzeitschriften erscheinen zunehmend Fachartikel über
die als mögliche Biowaffen in Frage kommenden Mikroorganismen (z.B. über Bacillus anthracis: http://www.cdc.gov/ncidod/EID/pastcon.htm ; Volume 8; Nr. 10; Oct. 2002
anklicken). Länder wie Israel, die USA oder jüngst England bereiten sich auf
mögliche Anschläge mit dem Pockenvirus vor.
(Zur Bedeutung des Pockenvirus siehe z.B. Drazen JM (2002): „Perspectives:
Smallpox and Bioterrorism“
New England Journal of Medicine 346 Vol.
17:1262-1263; http://www.nejm.org)
Weitere aktuelle Informationen zu B. anthracis („Anthrax“)
und anderen potentiellen biologischen Waffen auch unter http://www.cdc.gov!
2.2.3. Globale Situation im Hinblick auf das Vorkommen von
Infektionskrankheiten und damit assoziierten Problemen für die humane
Gesamtpopulation:
Ø
Übersicht:
Todesfälle durch Infektionskrankheiten: Industrienationen vs.
Entwicklungsländer. Hier besteht ein klares Gefälle. Impfstoffe und Medikamente
sind in den reichen Ländern für den größten Teil der Bevölkerung verfügbar, in
den Entwicklungsländern hingegen reichen die pro Kopf und Jahr verfügbaren Finanzmittel
nicht einmal annähernd, um auch nur die wichtigsten Impfungen oder Therapien
durchzuführen.
Ø
WHO Statistik:
Letalität unter der Population der 0-44 jährigen Gesamtbevölkerung bzw. der 0-4
jährigen Gesamtbevölkerung, aufgeschlüsselt nach Ursachen. à knapp die Hälfte
(0-44 jährige) bzw. fast 2/3 (0-4 jährige) aller Todesfälle gehen zu Lasten der
Infektionskrankheiten (obwohl einige der wichtigsten Infektionen mittlerweile impfpräventabel sind)! Es muss jedoch darauf hingewiesen
werden, dass trotz enormer Forschungsanstrengungen noch keine (wirksamen)
Impfstoffe gegen die so genannten „big three“ (HIV, Malaria, Tuberkulose) verfügbar sind.
Ø
WHO
Statistik: Infektionskrankheiten, Überblick über die wichtigsten bzw.
weltweit häufigsten Infektionskrankheiten (Daten der WHO für 1999 für die
Tuberkulose, sexuell übertragbare Erkrankungen [STD], Durchfallerkrankungen und
HIV-Infektionen (!) bzw. AIDS-Fälle).
Ø
Als Beispiel für
die Bedeutung einer der „großen“ Infektionskrankheiten sei die globale Epidemiologie
der Tuberkulose dargestellt.
Die Tuberkulose stellt die weltweit häufigste durch einen
einzigen Krankheitserreger verursachte Infektionskrankheit dar. Die WHO (http://www.who.org ) listet für das Jahr 2002 insgesamt mehr
als 30 Millionen gemeldete Fälle weltweit auf. An Neuerkrankungen wurden 8.798.000 Fälle verzeichnet was einer Inzidenz (weltweit) von etwa 144/100.000 entspricht (zum
Vergleich Deutschland: 7866 Erkrankungsfälle entsprechend einer Inzidenz von 9,6/100.000 im Jahr 2001[1] ). In den industrialisierten Ländern ist die
Häufigkeit der Tuberkulose rückläufig (z.B. Deutschland: 1950: 264,7/100.000;
2000: 9,6/100.000; Angaben des Robert Koch Instituts Berlin; http://www.rki.de ). In den ärmeren bzw. unterentwickelten
Ländern der Erde beobachtet man nach wie vor extrem hohe Erkrankungszahlen, die
im Gefolge der AIDS-Pandemie noch weiter im Ansteigen begriffen sind. Mehr als
90% der Erkrankungen und der durch die Tuberkulose verursachten Todesfälle
entfallen auf die unterentwickelten Länder! Im Jahr 2002 starben weltweit
1.566.000 Menschen an der Tuberkulose.
Tabelle 5: Epidemiologische Daten
zur Tuberkulose (Angaben in 1000) für das Jahr 2002 lt. WHO Bericht 2004,
aufgeschlüsselt nach WHO Regionen (Quelle: WHO, Tuberculosis
fact sheet, http://www.who.org).
WHO Region |
Todesfälle |
Neuerkrankungen |
The Americas |
46 |
370 |
Europe |
69 |
472 |
East
Mediteranean |
138 |
622 |
Africa |
348 |
2354 |
West
Pacific |
366 |
2090 |
South-East Asia |
599 |
2890 |
Infektionskrankheiten sind global
betrachtet eines der wichtigsten Probleme und die häufigste Todesursache: Die
Situation entspricht einem klassischen Nord-Süd-Gefälle!
Die
Häufigkeit von Infektionskrankheiten hängt ganz wesentlich von den allgemeinen
Lebensumständen (Ernährungssituation, hygienische Standards, etc.) einer
Bevölkerung ab. Gerade in den Entwicklungsländern führen politische oder
religiöse Konflikte und das daraus resultierende „Chaos“ fast zwangsläufig
immer wieder zu Seuchen, die in den entwickelten Ländern beinahe unbekannt oder
zumindest seit langem „vergessen“ sind. So stieg zum Beispiel die Anzahl der
Cholera-Fälle in Monrovia (Liberia) im Zuge des Bürgerkriegs im Jahre 2003
beinahe Explosions-artig an (Abb. 4; MMWR 2003, Vol. 52 No. 45 S. 1095
(als pdf zum download unter http://www.cdc.gov))
Abb. 4: Entwicklung der Cholera-Inzidenz in der liberianischen Hauptstadt
Monrovia während der Bürgerkriegs-ähnlichen Unruhen im Sommer 2003. Angeben
sind die Kalenderwochen und die Monate des Jahres 2003 bis September.
(Daten aus MMWR 52 Vol 45).
Die genannten Zahlen und Beispiele
sollen die profunde Bedeutung der Infektionskrankheiten und damit ihrer Erreger
verdeutlichen, die diese immer noch für den modernen Menschen haben. Obwohl die
Vorgänge, die zu einer Infektionskrankheit führen, heute sehr genau verstanden
werden, stellen Infektionen immer noch DIE Herausforderung an die Medizin dar!
[1] Quelle: Robert Koch Institut (2003): Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für das Jahr 2001.